• 20.03.2024 09:05

  • von Roland Hildebrandt

VW ID.3 in der Krise: Bringt der neue GTX die Wende?

Es läuft unrund für den Elektro-Hoffnungsträger von VW: Sowohl Absatz wie auch Produktion des ID.3 schwächeln - Wir analysieren die Gründe

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Er sollte der Golf des 21. Jahrhunderts werden: 2019 stellte der damalige Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess den neuen VW ID.3 auf der IAA vor. Doch knapp fünf Jahre später sind die Verkaufszahlen ernüchternd. Und Diess-Nachfolger Oliver Blume fordert staatliche Hilfen ein.

Titel-Bild zur News:

VW ID.3 Pro (2023) im Test Zoom

Blicken wir auf die Fakten: Seit dem Marktstart bis einschließlich Dezember 2023 sind in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 86.742 VW ID.3 neu zugelassen worden. Mit 26.693 Einheiten war 2021 das erfolgreichste Verkaufsjahr. Der ID.3 lag 2022 bei den Verkaufszahlen europaweit auf Platz 4 hinter dem Tesla Model Y, dem Dacia Spring und dem technisch eng verwandten VW ID.4.

Das Problem: Der Golf bleibt in der Käufergunst deutlich vor seinem designierten Nachfolger ID.3. Im Jahr 2023, als es noch weitestgehend die staatliche Förderprämie füe Elektroautos gab, wurden in Deutschland 22.270 ID.3 neu zugelassen. Dagegen standen 81.117 Golf. Im bisherigen Jahresverlauf 2024 geht die Schere ohne Staatsknete noch deutlicher auseinander: 1.379 ID.3 gegenüber 20.082 Golf. Plus 1.170 Exemplare des Cupra-Derivats Born.

So oder so stagniert die Produktion in Zwickau, eine geplante zusätzliche Fertigung des ID.3 in Wolfsburg ist vom Tisch. Interessant: Während der Born schon sichtbar in niedrige Leasingraten einsteigt, rangiert der ID.3 noch in Regionen um 300 Euro. Was sind die Gründe für den schwindenden Absatz beim ID.3 trotz kürzlich erfolgter Produktaufwertung?

1. Das Design: Der ID.3 brach 2019 bewusst mit dem gewohnten VW-Design. Klar, er hatte keinen unmittelbaren Vorgänger. Aber man verzichtete darauf, Anknüpfungspunkte zu existierenden Verbrenner-Modellen oder der Historie zu schaffen. Herauskam ein recht beliebig wirkendes Auto, manch einer spricht von einem Stück Seife.

2. Materialien und Verarbeitung: Zur Kostensenkung kamen im ID.3 bis zum kleinen Facelift im Jahr 2023 arg billig wirkende Kunststoffe. Hier war man 2019 vom noch existierenden Golf 7 und anderen Modellen Besseres gewohnt. Zumal sich die (angeblich von Tesla inspirierte) Schlichtheit nicht im Preis niederschlug. Was uns zu Punkt 3 bringt.

3. Preise: Derzeit startet der VW ID.3 im deutschen Konfigurator bei 39.995 Euro. Als "Pro" mit 58-kWh-Akku, 150 kW (204 PS) und 435 km Reichweite. Aber nur mit 18-Zoll-Stahlfelgen. Allerdings sinkt der Preis dank VW-interner "Aktionsprämien" auf knapp unter 33.000 Euro. Dennoch kostet eine Wärmepumpe extra. Leider gibt es die anfänglichen Versionen mit Leistungen um 150 PS nicht mehr.

Zum Vergleich: Ein recht komplett ausgestattetes Tesla Model 3 Basis mit deutlich mehr Leistung kostet 42.990 Euro. Renault bietet mit dem Megane Electric eine interessante Alternative, auch Hyundai mit Ioniq 5 und Ioniq 6.

VW gerät zudem von unter Druck, da mit dem Citroën e-C3 und dem neuen Renault 5 Elektroautos um oder unter 25.000 Euro auf den Markt kommen, die auch Platz für vier Personen bieten. VW bringt den kleineren ID.2 nicht vor 2025, ein möglicher ID.1 muss sogar erst noch final verabschiedet werden.


Fotostrecke: VW ID.3 in der Krise: Bringt der neue GTX die Wende?

Doch spätestens 2026 dürfte mit dem Tesla Model 2, dem Renault 5, Renault 4 und Twingo sowie dem Elektro-Panda von Fiat massive Konkurrenz entstanden sein. Nicht zu vergessen auch der kleine Casper von Hyundai und der jüngst stark überarbeitete Dacia Spring. Und natürlich die Marken aus China ...

4. Kaum Diversifikation: Gewiss, auf der MEB-Plattform basieren auch der VW ID.4 und ID.5 sowie andere Konzernmodelle. Aber der ID.3 wurde einzig zum Cupra Born umgestrickt, nicht aber zum Skoda. Und anders als den Golf gibt es den ID.3 nur in einer Karosserieform, ein Kombi etwa fehlt. Ob hier der ID.4 ein adäquater Ersatz sein kann?

Auch der jetzt vorgestellte ID.3 GTX mit bis zu 326 PS Leistung kommt viel zu spät. Schon 2021 veröffentlichte VW Fotos eines Prototyps. Renault zeigt, wie man es besser macht: Dort kommt schon kurze Zeit nach dem neuen 5 dessen Powerversion Alpine A290.

5. Das Alter: Der VW ID.3 ist schon seit 2019 auf dem Markt. Für Elektroautos eine halbe Ewigkeit. Und ein großes Facelift lässt noch auf sich warten. Das bekam der VW Golf 8 kürzlich, auch er wurde 2019 vorgestellt. Ihm scheint das Alter in der Käufergunst aber nichts auszumachen.

6. Die Technik: Unsere bisherigen Tests haben gezeigt, dass der ID.3 zwar ein gutes Elektroauto ist, aber nicht aus der Masse herausragend. Kia/Hyundai punkten mit sehr schnellem Laden, Tesla mit seinem Gesamtpaket. Das frühere Kaufargument "Man nimmt den VW, weil es ein VW ist", zieht in der Stromer-Welt nicht mehr.

Quo Vadis, ID.3? Ohne Frage gebührt ihm ein Platz in der VW-Geschichte als erstes echtes Elektroauto der Marke ohne Verbrenner-Basis. Aber den Kultfaktor des Golf erreicht er nicht. Unsere Prognose: Wohl um 2026/27 wird der Nachfolger des ID.3 zu einem ID.Golf verschmelzen.

Mehr aus der Verbrenner-Welt von VW:

VW Tiguan (2024) im Test: So fährt sich die Neuauflage
VW Passat Variant (2024) im Test: Der Langstrecken-Liebling